Am 27. Februar 2024 …
… war es endlich soweit: Nach einem Jahr intensiven Mailkontakt durfte ich Irene Blumenkranz in Palo Alto persönlich kennenlernen! Was soll ich sagen: es war Sympathie und “Liebe” auf den ersten Blick. Für mich einer der berührendsten Augenblicke der Reise.
Als wir Irenes Haus betraten, entdeckte ich sofort einige Möbelstücke, die einst Ida Jolles gehörten und tatsächlich einmal in der Familienvilla in Wien standen! 1938 wurde alles arisiert! Doch Ida hatte sich diese im Jahr 1946 in spektakulärer Art und Weise zurück geholt.
Auf dem Esszimmertisch lagen Irenes Schätze und Erinnerungen an ihre Großmutter – wunderschöne originale Handtaschen der Marke Jolles Studios. Mit einer davon war Irene sogar bei einer Oscar-Verleihung (einer ihrer Söhne ist Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS)). Ehrfürchtig betrachtete ich all diese Taschen, die einmal Ida Jolles gehörten.
Auf dem Tisch lagen aber auch diverse Dokumente, wie etwa ein paar Manuskriptseiten einer angefangenen Biografie, welche Irenes Schwester verfasst hatte. Sie verstarb jedoch vor Vollendung ihrer Erinnerungen und so blieb es bei den paar Seiten. Auf dem Tisch lag aber auch ein weiters Manuskript mit dem klingenden Titel The Interview. Mir war nicht sofort klar, welchen Schatz ich da zur Verfügung gestellt bekommen haben! Erst bei der späteren Durchsicht der über 100 abfotografierten Seiten entdeckte ich, dass es sich hierbei um die Abschrift des letzten Interviews von Ida Jolles handelte, das kurz vor ihrem Tod 1968 von ihrem Neffen Jack Oelbaum aufgenommen worden war. Von diesem Interview hatte ich schon gehört, es hieß jedoch bisher immer, dass das Tonband in sehr schlechtem Zustand sei und somit nicht mehr abgehört werden könne.
Nun hielt ich also das Interview in Händen, indem Ida vor allem von ihren Verhandlungen mit den Nazis 1938 in Paris erzählte. Letztendlich war es ihr damals gelungen den “Kommissar” zu überlisten – das folgende Zitat zeigt Idas Mut, Stärke und Angstlosigkeit:
“Wenn Sie ein Gentleman sind, bin ich eine Dame. Aber wenn Sie ein Löwe sein wollen, werde ich der schlimmste Fuchs sein, dem Sie je begegnet sind.”
Ohne es auch nur im Geringsten zu ahnen, übergab der “Kommissar” 1938 in Paris Ida Jolles all ihre Aufzeichnungen und Entwürfe für die Produktion von Petit-Point-Erzeugnissen. Ida hatte die Arroganz und Eitelkeit des Mannes gekonnt ausgenutzt. Am Ende schaffte Ida es sogar ihrem Mann bei der Flucht nach Amerika zu helfen. (Kapitel 11 “Ida Jolles – Pionierin des Wiener Kunstgewerbes” in “Die Villen von Bad Vöslau“)
In Los Angeles
habe ich Irene ein weiteres Mal getroffen – im Haus ihres Sohnes. Dort warteten nicht nur sensationelle Fotos auf mich (u.a. ein Familienfoto, das Ida mit ihrem Mann Josef, ihrer Schwiegermutter Bertha und ihren beiden Töchtern Marta und Stella zeigt sowie eine Saisonkarte des Thermalbades Bad Vöslau aus dem Jahr 1933!!!!) sondern auch 4 Kisten voll mit Ordnern, Dokumenten, Fotoalben, Rechnungen, Skizzenbücher u.v.m. Zeitlich war es mir leider nicht möglich alles anzusehen… Ich werde wohl nochmals nach Los Angeles fliegen müssen um den gesamten Inhalt der Kisten in Ruhe zu sichten, zu ordnen und einzuscannen. Vielleicht kann Irenes Sohn bis dahin die Tonbandaufzeichnung reparieren – er will es zumindest versuchen. Ich würde zu gerne Idas Stimme hören…
Im Haus des Sohnes hängt im übrigen tatsächlich ein Gemälde von Ida, welches in den 1930er Jahren entstanden sein muss. Der mir bis zu diesem Zeitpunkt unbekanntem Maler A. Hawel entpuppt sich als eigenwilliger Sonderling. Ein viel beschäftigter Künstler zu jener Zeit mit einem doch etwas fragwürdigen Ruf und Malstil…
das Manuskript “the interview”
ist meine persönliche “Goldader”. Es ist so spannend darin zu lesen und zugleich auch so beängstigend die damalige Zeit in so detaillierter Weise miterleben zu können. Die Erzählungen bergen unglaublich viele Informationen und Anhaltspunkte, denen ich gerade nachgehe. Inzwischen kenne ich auch den Namen des “Kommissars” und einen Teil seiner Biografie – soviel sei verraten: ein Nazi durch und durch!
Mittlerweile steht mein Entschluss fest – ich werde keine Biografie im herkömmlichen Sinne schreiben, sondern mich in einem (biografischen) Roman versuchen…
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Am 27. Februar 2024 …
… war es endlich soweit: Nach einem Jahr intensiven Mailkontakt durfte ich Irene Blumenkranz in Palo Alto persönlich kennenlernen! Was soll ich sagen: es war Sympathie und “Liebe” auf den ersten Blick. Für mich einer der berührendsten Augenblicke der Reise.
Als wir Irenes Haus betraten, entdeckte ich sofort einige Möbelstücke, die einst Ida Jolles gehörten und tatsächlich einmal in der Familienvilla in Wien standen! 1938 wurde alles arisiert! Doch Ida hatte sich diese im Jahr 1946 in spektakulärer Art und Weise zurück geholt.
Auf dem Esszimmertisch lagen Irenes Schätze und Erinnerungen an ihre Großmutter – wunderschöne originale Handtaschen der Marke Jolles Studios. Mit einer davon war Irene sogar bei einer Oscar-Verleihung (einer ihrer Söhne ist Mitglied der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS)). Ehrfürchtig betrachtete ich all diese Taschen, die einmal Ida Jolles gehörten.
Auf dem Tisch lagen aber auch diverse Dokumente, wie etwa ein paar Manuskriptseiten einer angefangenen Biografie, welche Irenes Schwester verfasst hatte. Sie verstarb jedoch vor Vollendung ihrer Erinnerungen und so blieb es bei den paar Seiten. Auf dem Tisch lag aber auch ein weiters Manuskript mit dem klingenden Titel The Interview. Mir war nicht sofort klar, welchen Schatz ich da zur Verfügung gestellt bekommen haben! Erst bei der späteren Durchsicht der über 100 abfotografierten Seiten entdeckte ich, dass es sich hierbei um die Abschrift des letzten Interviews von Ida Jolles handelte, das kurz vor ihrem Tod 1968 von ihrem Neffen Jack Oelbaum aufgenommen worden war. Von diesem Interview hatte ich schon gehört, es hieß jedoch bisher immer, dass das Tonband in sehr schlechtem Zustand sei und somit nicht mehr abgehört werden könne.
Nun hielt ich also das Interview in Händen, indem Ida vor allem von ihren Verhandlungen mit den Nazis 1938 in Paris erzählte. Letztendlich war es ihr damals gelungen den “Kommissar” zu überlisten – das folgende Zitat zeigt Idas Mut, Stärke und Angstlosigkeit:
“Wenn Sie ein Gentleman sind, bin ich eine Dame. Aber wenn Sie ein Löwe sein wollen, werde ich der schlimmste Fuchs sein, dem Sie je begegnet sind.”
Ohne es auch nur im Geringsten zu ahnen, übergab der “Kommissar” 1938 in Paris Ida Jolles all ihre Aufzeichnungen und Entwürfe für die Produktion von Petit-Point-Erzeugnissen. Ida hatte die Arroganz und Eitelkeit des Mannes gekonnt ausgenutzt. Am Ende schaffte Ida es sogar ihrem Mann bei der Flucht nach Amerika zu helfen. (Kapitel 11 “Ida Jolles – Pionierin des Wiener Kunstgewerbes” in “Die Villen von Bad Vöslau“)
In Los Angeles
habe ich Irene ein weiteres Mal getroffen – im Haus ihres Sohnes. Dort warteten nicht nur sensationelle Fotos auf mich (u.a. ein Familienfoto, das Ida mit ihrem Mann Josef, ihrer Schwiegermutter Bertha und ihren beiden Töchtern Marta und Stella zeigt sowie eine Saisonkarte des Thermalbades Bad Vöslau aus dem Jahr 1933!!!!) sondern auch 4 Kisten voll mit Ordnern, Dokumenten, Fotoalben, Rechnungen, Skizzenbücher u.v.m. Zeitlich war es mir leider nicht möglich alles anzusehen… Ich werde wohl nochmals nach Los Angeles fliegen müssen um den gesamten Inhalt der Kisten in Ruhe zu sichten, zu ordnen und einzuscannen. Vielleicht kann Irenes Sohn bis dahin die Tonbandaufzeichnung reparieren – er will es zumindest versuchen. Ich würde zu gerne Idas Stimme hören…
Im Haus des Sohnes hängt im übrigen tatsächlich ein Gemälde von Ida, welches in den 1930er Jahren entstanden sein muss. Der mir bis zu diesem Zeitpunkt unbekanntem Maler A. Hawel entpuppt sich als eigenwilliger Sonderling. Ein viel beschäftigter Künstler zu jener Zeit mit einem doch etwas fragwürdigen Ruf und Malstil…
das Manuskript “the interview”
ist meine persönliche “Goldader”. Es ist so spannend darin zu lesen und zugleich auch so beängstigend die damalige Zeit in so detaillierter Weise miterleben zu können. Die Erzählungen bergen unglaublich viele Informationen und Anhaltspunkte, denen ich gerade nachgehe. Inzwischen kenne ich auch den Namen des “Kommissars” und einen Teil seiner Biografie – soviel sei verraten: ein Nazi durch und durch!
Mittlerweile steht mein Entschluss fest – ich werde keine Biografie im herkömmlichen Sinne schreiben, sondern mich in einem (biografischen) Roman versuchen…